Du hast eine Idee, die Euer Projekt voranbringen könnte. Aber bevor Du sie aussprichst, kommt das Zögern: Was, wenn sie als naiv abgetan wird? Was, wenn ich mich blamiere? Also schweigst Du – wie so viele andere in Meetings, Workshops oder Teamrunden. Nicht, weil Du nichts zu sagen hast, sondern weil Du Dich nicht sicher fühlst.
Wie die Organisationspsychologin Amy Edmondson in ihrem TED-Talk Building a psychologically safe workplace sagt:
„Niemand wacht morgens auf und springt aus dem Bett, weil er es nicht abwarten kann, zur Arbeit zu gehen, um sich ignorant, inkompetent, aufdringlich und negativ zu präsentieren.“
Genau hier setzt das Konzept der psychologischen Sicherheit an.
Was bedeutet psychologische Sicherheit?
Psychologische Sicherheit – oder Psychological Safety – beschreibt ein Arbeitsumfeld, in dem Menschen offen sprechen können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Sie trauen sich, Fragen zu stellen, Fehler einzugestehen oder neue Ideen einzubringen – selbst dann, wenn diese nicht perfekt sind.
Amy Edmondson definierte das Konzept als „gemeinsames Empfinden im Team, dass man zwischenmenschlich keine Angst haben muss“. Es geht nicht um nett sein oder Harmonie, sondern um Vertrauen, Offenheit und Lernbereitschaft
Warum ist das so wichtig?
Weil psychologische Sicherheit weit mehr ist als ein nettes Extra – sie kann ein Produktivitätsbooster sein. Studien – wie etwa das vielzitierte Google Projekt Aristotle – zeigen: Psychologische Sicherheit ist der grundlegende Faktor für den Erfolg von Teams.
Wenn Menschen sich sicher fühlen…
- arbeiten sie besser zusammen.
- steigt ihre Motivation und ihr Engagement.
- sprechen sie Probleme an, bevor sie eskalieren.
- lernen sie aus Fehlern statt sie zu vertuschen.
- äußern sie Ideen, die Innovation ermöglichen.
Ohne psychologische Sicherheit hingegen entsteht ein Klima aus Schweigen, Stillstand und Angst – selbst in Teams mit Top-Talenten.
Wie erkenne ich psychologische Sicherheit?
Ein sicheres Arbeitsumfeld zeigt sich in kleinen, aber klaren Verhaltensmustern:
- Ideen und Kritik werden offen und respektvoll geteilt.
- Fehler werden als Lernchancen betrachtet, nicht als Schwächen.
- Menschen trauen sich, um Hilfe zu bitten.
- Unterschiedliche Perspektiven werden wertgeschätzt.
- Führungskräfte wie Mitarbeiter leben Offenheit und Vertrauen sichtbar einander vor.
Praxisbeispiele: Wo psychologische Sicherheit den Unterschied macht
- Google: Das „Projekt Aristotle“ identifizierte psychologische Sicherheit als Schlüsselmerkmal erfolgreicher Teams – wichtiger als Intelligenz, Bildung oder Erfahrung.
- Pixar: In kreativen Runden sind offene Diskussionen und kritisches Feedback ausdrücklich erwünscht. So entstehen Filme, die Millionen bewegen.
- Toyota: Mit dem sogenannten „Andon Cord“ kann jeder Mitarbeitende die Produktion stoppen, wenn er ein Problem erkennt – ohne Angst vor Repressalien. Eine gelebte Fehlerkultur mit System.
Wie kann ich psychologische Sicherheit fördern?
Ob als Führungskraft, Teammitglied oder Coach – jede:r kann einen Beitrag leisten. Hier einige Werkzeuge:
- Fehler entstigmatisieren
Mach deutlich: Fehler gehören zum Lernen. Geh offen mit eigenen Irrtümern um. - Aktiv zuhören
Zeige echtes Interesse an den Gedanken anderer. Wer zuhört, signalisiert Wertschätzung. - Diversität einbinden
Sorge dafür, dass unterschiedliche Perspektiven sichtbar und gehört werden – unabhängig von Hierarchie, Herkunft oder Funktion. - Klar kommunizieren
Formuliere Erwartungen, Feedback und auch Kritik klar, konstruktiv und wertschätzend. - Verlässlichkeit zeigen
Was gesagt wird, muss gelten. Wer psychologische Sicherheit aufbauen will, braucht Konsistenz und Vertrauen.
Psychologische Sicherheit ist kein „Nice-to-have“
In einer Arbeitswelt, die immer schneller, vernetzter und komplexer wird, ist psychologische Sicherheit kein Wohlfühlfaktor – sie ist eine zentrale Voraussetzung für Innovation, Zusammenarbeit und langfristigen Erfolg.
Sie schafft Räume, in denen Menschen sich einbringen, wachsen und über sich hinauswachsen können. Und sie beginnt mit einer einfachen Haltung:
Ich bin offen, ich höre zu, ich verurteile nicht.